Hass im Kopf

Jeden Misophoniker kennt sie und jeder hasst sie. Die Gedanken die uns in den Wahnsinn treiben. Die Gedanken die uns hassen lassen. Die Gedanken die wir nicht kontrollieren können. Die Gedanken für die ich mich selbst am meisten hasse. Die Gedanken die mich so oft vereinsammen lassen. Die Gedanken die eigentlich gar nicht existieren dürften. Ein scheinbar unaufhalbarer Kreis des Hasses der uns tagtäglich begleitet. Da ich diese Platform als ein Ort nutzen möchte um wirklich ehrlich darüber zu reden was es bedeuten kann Misophoniker zu sein (das ist natürlich bei jedem anders) hier mal ein paar Ausschnitte der eher nicht so netten Gedanken in solchen Momenten:

„Halt einfach die Fresse du A****!“.
„Weißt du eigentlich wie hässlich du aussiehst wenn du trinkst?“ „Siehst du nicht, dass du mich gerade umbringst mit diesem Keks? Es ist doch so offensichtlich, dass es einfach verdammt eckelig klingt wenn du den isst. Hör doch wenigstens auf diesen Moment zu genießen während ich das Gefühl habe, ich werfe gleich den Teller samt Keksen aus dem Fenster!! Ob ich auch einen Keks will? NEIN, verdammt ich möchte einfach nur hier weg.“ Ich werde am Ende auch nochmal darauf eingehen, aber für alle Ungeduldigen unter uns (ich zum Beispiel) möchte ich schon mal hier sagen: Diese Gedanken sind keinenfalls gut. Es sind schlechte Gedanken die nicht okay sind. Aber wären es gute Gedanken würde es wahrscheinlich auch nicht “Hass auf Geräusche” heißen. Damit möchte ich einfach nur sagen, dass ich hiermit die Gedanken nicht rechfertigen möchte, sondern sie einfach mal ausspreche, da sie nunmal real sind.

Als Misophoniker ist man (in seinen Gedanken) häufig alleine. Man kann umgeben von 20 Freunden und Geliebten, und trotzdem einsam sein. Ich vereinsame oft in meinen Gedanken. Nach zu langer Triggerung versinke ich komplett in diesen Gedanken und ist dieser Punkt einmal erreicht ist es extrem schwer den Gedankenlauf aufzuhalten. In dem Moment ist es einfach so schwer nachzuvollziehen wie denn niemand merkt wie eckelig mein Gegenüber isst. Ich kann mich auf kein Gespräch mehr konzentrieren, mein Appetit hat sich komplett verabschiedet und ein positiver Gedanke scheint nahezu unmöglich. Eine innere Leere verdrängt jegliche Freude in mir. Zwischendurch reicht es vielleicht mal für ein „Beruhig dich Amy, bald ist es vorbei.“ aber selbst dieser kurze Hoffnungsschimmer ist zu schwach um meine Gewaltgedanken zu unterdrücken. Was ich aber mit der Zeit gelernt habe, ist das Miso-Ich und das wahre Ich zu unterscheiden. Es gibt mich, Amy, und dann gibt es noch das Miso-Ich oder wie mein Vater machmal sagt, Frau M.. Du bist nicht du wenn du Hunger hast. Spaß… Du bist nicht du, wenn du getriggert wurdest. Die Gedanken sind zwar in deinem Kopf und fühlen sich so echt an, aber es sind nicht deine. Es sind die deiner Vergangenheit, die deines Miso-Ichs die jedoch so echt und angemessen in diesen Momenten wirken. Mit der Zeit habe ich gelernt, mein Miso-Ich und mein wahres Ich zu trennen. Natürlich, meistens nach zu langer Triggerung, verschwimmen auch bei mir noch die Grenzen, aber oft schon hat es mir wirklich geholfen. Das Miso-Ich ist einfach jemand anderes der gerne mal etwas Chaos in meinem Kopf anrichtet, aber das bin nicht ich! Es ist ein Teil in mir den ich leider bis jetzt noch nicht ganz verbannen konnte. Und so kannst du es auch deinen Freunden erklären. Wenn du sie mal beim Essen böse anguckst ist das vielleicht gerade wirklich Wut oder Enttäuschung in deinen Augen, aber es ist nicht, was dein zurzeit ausgeschaltete Ich denkt. Es ist das Miso-Ich was gerade die Überhand genommen hat.

Das soll auf keinen Fall eine Rechtfertigung für diese Gedanken sein, aber es bringt mir auch nichts, wenn ich zusätzlich zu dem Hass auf mein Gegenüber, mich selbst auch noch hasse. Zumal ich mich dann für etwas hasse für das ich nichts kann. Dazu wird es bald auch noch einen Beitrag geben.

Tipp: Versuche dein Ich klar von dem Miso-Ich zu trennen. Mache dir bewusst, dass das nicht deine Gedanken sind! Aber Achtung: Trotzdem ist es unsere Aufgabe bestmöglich gegen diese Gedanken anzukämpfen und uns ihnen nicht einfach hinzugeben. Klar, wenn ich mich dann zurückziehe lasse ich oft kurz mal alles raus, aber ich muss immer aufpassen nicht in den Gedanken zu versinken. Das macht mich nur noch unglücklicher und meistens endet das nur in einer inneren Leere die oft mehrere Tage anhält und mich absolut nicht weiter bringt. Also: Erstens erkenne die Grenzen zwischen den beiden und bestrafe dich zweitens nicht für etwas, für was du nichts kannst!