Scheiß Auf Normal
Geschrieben am 01.03.2021 von AmyGottesdienste
Gottesdienste sollten ein Ort der Begegnung sein, ein Ort an dem man sich wohlfühlt. Gerade meine Heimatgemeinde ist wirklich ein Wohlfühlort für mich. Viele Leute kenne ich seit meiner Kindheit und ich hatte immer viel zu lachen in den Gottesdiensten.
Aber es gibt so einige Sachen die jede*n Misophoniker*inn in einem Gottesdienst einfach in den Wahnsinn treiben können. Angefangen beim Abendmahl was ich dann meistens im Flur oder auf dem WC verbringe, dann der Kaffee und Kuche nach dem Gottesdienst der ja immer so einladend ist… aber leider sehr ausladend für jede*n Misophoniker*inn. Und der Knüller ist dann die Omi hinter mir in der Reihe die nach und nach laut ihre Bonbons lutscht. Schon so manch einen Gottesdienst habe ich deswegen schon verlassen. Der letzte Sonntag im Monat war immer Abendmahlgottesdienst… und zufällig habe ich dort häufiger mal verschlafen.
Jugendgruppen
Auch Hauskreise sind meistens schwierig. Es gibt meistens was zu knabbern und es ist eine so kleine Gruppe, das es auffällt wenn man sich ständig die Ohren zuhält oder im Flur rumdümpelt. Ich erinnere mich an eine Situation die schon einige Jahre zurückliegt. Wir waren Abends in meiner Gemeinde, eine kleine liebevolle FeG, zum Jugendhauskreis verabredet. Meistens haben wir einfach zusammen Kuchen gegessen und über Gott und die Welt geredet. Ich hatte mich sehr auf den Abend gefreut da ich mich in der Gruppe einfach sehr wohlfühle und ich Kuchen mag :). Aber wie schon so häufig merkte ich, wie mir das alles zu viel wurde. Alle tranken genüsslich ihren Tee und aßen ihren Kuchen und ich merkte schnell, dass ich schon auf dem Weg zu Stufe vier war und der Abend hatte noch lange nicht begonnen. An jenem Abend “entschied” ich mich dazu, früher zu gehen, weil ich es einfach nicht mehr aushielt. Ich war so wütend, so enttäuscht von Gott. Ich wollte doch nur in die Gemeinde und etwas über ihn lernen, und weil er mir nicht hilft musste ich nun früher gehen. Und noch heute macht mich diese Situation traurig.
And what we can do about it?
Aber hey, Corona-Gottesdienste sind so toll! Alle halten Abstand, es gibt keinen Kuchen, kein Abendmahl… Wie aus schlechtem doch trotzdem etwas Gutes entstehen kann. Wenn ich heute mal zu einem Hauskreis oder Gottesdienst nicht hingehe, weil die Misophonie mich aufhält, dann bete ich, mache meinen eigenen Worship und mache eben was anderes cooles. Bei Hauskreisen spreche ich das Thema schneller an, lasse Musik laufen, im Gottesdienst sitze ich meist in der letzten Reihe und so weiter. Und am wichtigsten: Ich scheiße auf die Anderen! (Bzw. darauf, was sie über mich denken könnten.) Ich weiß, dass viele sich wundern, weshalb ich beim Abendmahl häufig nicht dabei bin oder manchmal einfach gehe. Ich weiß, dass ich manchmal die Omi mit einem Horrorblick angucke, was mir auch sehr leid tut, aber irgendwie möchte ich ja auch der Predigt zuhören. Ich möchte mich von der Illusion lösen, dass die Norm der einzige Weg ist, mit Gott Zeit zu verbringen. Wenn ich das Abendmahl auf dem Klo verbringe, dann ist das zwar immer noch traurig, aber der Moment in dem ich es einfach akzeptiere und die Zeit zum beten nutzte fühle ich mich viel freier. Die Norm ist, ich gehe zum Gottesdienst und mache alles wie andere. Aber niemand ist wie “alle Anderen”. Meine Norm ist halt den Gottesdienst auch mal “zu verschlafen”, im Flur durch die Tür der Predigt zu folgen oder das Abendmahl auf dem Klo zu verbringen. Und ich muss sagen, die zufälligen Flurgespräche waren häufig genauso ermutigend wie die Predigt.
Ich liebe dafür zum Beispiel Worship-Abende mega, weil dort fast durchgehend Musik läuft und die Stimmung viel lockerer ist. Also es gibt Wege! Mein Weg ist bis jetzt auf meinen Körper zu höre, meine Grenzen zu akzeptieren und mich von all diesen Normvorstellungen zu lösen.
Passt euch nicht den Maßstäben dieser Welt an, sondern lasst euch von Gott verändern, damit euer ganzes Denken neu ausgerichtet wird. Nur dann könnt ihr beurteilen, was Gottes Wille ist, was gut und vollkommen ist und was ihm gefällt.
Römer 12:2